RHEINFELDEN. 2013
Er trägt ein graues Sakko, einen Schal und hat einen strammen Schritt. Für das Gespräch mit der NFZ lädt der Künstler Michael Wyss in sein Atelier.
Der Weg führt von seiner Wohnung am Parkweg in die Spitalstrasse. Dort hat der Kunstmaler seit zwei Monaten ein Atelier.. Der Raum liegt im Erdgeschoss einer Wohnsiedlung. Eine
Fensterfront sorgt für genügend Licht. Die rechte Seite des Ateliers gehört Wyss. In verschiedenen Regalen und auf dem Boden stehen seine Werke. «Ich male immer drei bis vier Bilder parallel»,
erklärt Wyss und steckt sogleich mitten in der Erklärung zu seiner Arbeitsweise. «Ich mache das, damit ich ausweichen kann, wenn ich bei einem Bild nicht mehr weiterkomme und nicht festkleben
bleibe.» So entsteht innerhalb von ungefähr einer Woche eine Serie von drei bis sechs Bildern. Wyss malt seine Werke ausgehend von Bildern, die er in Magazinen findet oder selbst geschossen hat.
Dabei ist es nie ein ganzes Bild, dass im ins Auge sticht, sondern vielmehr ein Ausschnitt. «Den Ausgangspunkt für eines meiner Bild bildete ein rostiges Mauerwerk, das ich in Como entdeckte. Ich
habe den Ausschnitt fotografiert und davon ausgehend zu malen begonnen.» Es sind die Muster, die Farbspiele und Kombinationen, die Wyss derzeit angehen und von welchen ausgehend er startet. Denn
seine Bilder seien eigenständige Interpretationen der Vorlagen. «Ich kopiere nicht, male nicht eins zu eins die Vorlage ab», betont Wyss, der immer wieder aufsteht, um an den Werken zu zeigen,
wovon er gerade erzählt. Der Farbwerker, wie sich Wyss auf seiner Visitenkarte selbst bezeichnet, ist in seinem Element. 300 Werke tragen jetzt einen Namen Die Bilder des Rheinfelder Künstlers
zeigen zum Beispiel eine Landschaft oder deuten Figuren an, doch eigentlich soll der Betrachter den Inhalt selbst entdecken. Deshalb hat Wyss seine Bilder lange auch nicht benannt. «Aber weil ich
jetzt ausstelle, habe ich damit angefangen. Es sieht komisch aus, wenn die Bilder nur Nummern tragen», lacht er. So haben mittlerweile alle seiner 300 Werke einen Titel. Während Wyss früher eher
gegenständlich gemalt hat, sind seine Bilder heute abstrakt. Der hell-dunkel Kontrast oder das Zusammenspiel von Farbe und Form stehen in seinem Schaffen im Vordergrund. Seit kurzem arbeitet er
in alle Bilder eine Struktur ein. «Ich male sehr frei und habe keinen festen Stil», erklärt der Künstler, der vor ein paar Jahren von Öl- auf Acrylfarbe umgestiegen ist. Gerade deswegen sei am
Anfang eines neuen Projektes auch immer eine gewisse Angst. «Ein Bild ist immer auch eine Reise ins Ungewisse», erzählt Wyss, «erst mit der Zeit entwickeln sich die Farbspiele und die stimmigen
Momente beginnen sich heraus zu kristallisieren.» Seit 25 Jahren widmet sich der gebürtige Luzerner, der seit 4 Jahren im in Rheinfelden lebt, intensiv der Malerei. Trotzdem ist sie immer ein
leidenschaftlich betriebenes Hobby geblieben. Jetzt beginne er aber langsam die Fühler weiter auszustrecken, erzählt er., Der Schritt in die Öffentlichkeit vor rund drei Jahren ist ihm nicht
ganz leicht gefallen. «Ich war schon nervös, man wird eben wortwörtlich ausgestellt», erklärt Wyss. Doch die Reaktionen bei der ersten Ausstellung in der color-Gruppe Möhlin fielen positiv aus
und so sucht er mittlerweile aktiv nach Ausstellungsmöglichkeiten. Derzeit sind seine Bilder gleich an zwei Orten zu sehen: An einer Sonderausstellung in der Villa Berberich in Bad Säckingen und
in einem Café in Stein. «Ich wünsche mir, dass irgendwann jemand ein Bild kauft», so Wyss. Kunst und soziale Arbeit Michael Wyss ist gelernter Schriftsetzer. So richtig von Hand und mit
Blei-Lettern habe er noch gearbeitet, erzählt er mit einer Leidenschaft, die beinahe so gross scheint, wie wenn er vom Malen erzählt. «In jedem Schriftsetzer steckt ein verkappter Künstler», ist
Wyss denn auch überzeugt. Um seine künstlerische Ader ausleben zu können, besuchte er nach seiner Ausbildung beim St. Galler Tagblatt die Kunstgewerbeschule. Privatkurse bei verschiedenen
Kunstmalern sowie weitere Gruppenkurse und Workshops folgten seither. Doch nicht nur die Kunst war Wyss‘ Berufung, auch die soziale Arbeit interessierte ihn schon als jungen Mann. Nach einem
Engagement bei dem er mit autistischen Kindern arbeiten konnte, entschied er sich deshalb, eine Ausbildung zum Heimerzieher zu machen. «Es war perfekt, hier konnte ich das Künstlerische mit der
sozialen Arbeit verbinden», erzählt Wyss rückblickend. Seine Lebensstelle fand er schlieslich bei der Eingliederungsstätte Baselland (ESB). Sie ist, ganz ähnlich wie die MBF, eine Institution für
Menschen mit einer Behinderung mit verschiedenen Standorten im Baselland. Vor rund 25 Jahren konnte Wyss den Standort in Reinach zusammen mit einer Kollegin aufbauen. In den Anfangsjahren leitete
er den Standort noch, danach war er als Gruppenleiter zuständig für 5 Personen. «Eine schöne Zeit», blickt Wyss, der Schriftsetzer, Sozialpädagoge und Farbwerker zurück.
Jetzt wartet das Abenteuer Kunst.